Die Dame, die im schönen Sonnenschein über eine hölzerne Brücke am Rand des Humboldthains im Wedding flaniert, sieht wahnsinnig freundlich aus. Die blonden Haare stehen neckisch nach oben, am Handgelenk baumelt eine schwarze Handtasche und vor ihr läuft ihr Hündchen Kasimir, das neugierig überall schnuppert. Ihr Name ist Susan — und auf den ersten Blick wirkt sie wie die normale Frau von nebenan. Wer ihr im Park begegnet, wird kaum darauf kommen, womit die Jährige ihr Geld verdient. Sie schlägt und erniedrigt Männer.
Susan verdient ihr Geld als Domina. Manch einer mag von ihr nur ignoriert werden und versteht dies als ultimative Form der Erniedrigung. Dann endet es damit, dass am Ende eine Scheinhinrichtung stattfindet. Die Spielarten sind vielfältig, das gefällt mir. Susan ist Vollprofi, hat allerdings mal klein angefangen. Ihre Dominanz kam schon im Kindergartenalter ans Tageslicht.
Erst Jahre später ging Susan ihrer Leidenschaft intensiver nach. Als Single schaute ich, was es sonst noch gibt. Sie suchte im Netz, fand Webseiten der Szene. Sie hielt die Leine in der Hand, er schien total glücklich darüber zu sein.
Das hat mich sehr fasziniert. Und die Männer, mit denen sie spielte, waren so begeistert von ihr, dass sie sogar dafür bezahlen wollten. Sie schaltete eine Zeitungsanzeige. Der erste Gast war sehr nett. Es fiel ihr nicht leicht. Hinterher dachte ich aber: Das war geil. Das komische Gefühl vom Anfang war weg und ich wollte unbedingt mehr davon. Ihren Bürojob, dem sie am Anfang noch nachging, musste Susan aus Zeitgründen bald an den Nagel hängen — zu viele begeisterte Kunden hatte sie mittlerweile.
Anderen gefiel Susans Job hingegen nicht: Einige Freunde hielten zu ihr, andere wandten sich von ihr ab. Aber ich bin doch völlig normal! Inzwischen habe ich einen Freundeskreis, der den Job akzeptiert. Für sie ist daran nichts Verwerfliches. Ja, ich quäle Männer — aber aus Lust. Und: Ich bin keine Prostituierte!
